10. Juni 2021

Elektrifizierung der SPNV-Strecke Wesel – Bocholt: Wissenswertes zu den anstehenden Bauarbeiten

Von Düsseldorf über Duisburg und Wesel direkt bis nach Hamminkeln und Bocholt, ohne Umstieg, mit deutlich mehr Sitzplätzen in umweltfreundlichen elektrischen Zügen: Um das Westmünsterland besser an das Ruhrgebiet und die Landeshauptstadt anzubinden, wird die Strecke zwischen Wesel und Bocholt elektrifiziert und mit moderner elektronischer Stellwerkstechnik ausgerüstet. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021 soll der rein elektrische Betrieb des Rhein-IJssel-Express (RE 19) starten. Damit dies gelingt, stehen in den nächsten Monaten aufwendige Bauarbeiten an. Wir erklären Ihnen, was ab dem 5. Juli 2021 entlang der „Bocholter Bahn“ passiert.

Rein elektrischer Betrieb senkt Emissionen zwischen Wesel, Hamminkeln und Bocholt

Die Elektrifizierung der „Bocholter Bahn“ zwischen Wesel am Niederrhein und Bocholt im Münsterland ist ein Gemeinschaftsprojekt der DB Netz AG, des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) und des Zweckverbandes Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL). Bis Ende des Jahres wird die 22 Kilometer lange Strecke elektrifiziert und mit elektronischer Stellwerkstechnik (ESTW) ausgerüstet. So können dort zukünftig moderne, umweltfreundliche Elektrotriebzüge verkehren. „Lokal verringert dies die CO2-Emissionen entlang der Strecke um 420 Tonnen pro Jahr; so viel Kohlenstoffdioxid emittieren die bislang dort verkehrenden Dieselfahrzeuge“, erklärt VRR-Vorstandssprecher Ronald R.F. Lünser. „Auch die Feinstaub- und Stickoxid-Belastungen sinken und der Lärm wird reduziert, denn die Elektrotriebwagen sind deutlich leiser unterwegs als Züge mit Dieselantrieb.“

Neue Direktverbindung zwischen Düsseldorf, dem Ruhrgebiet und Bocholt

Infografik: Streckenlinie des RE 19

Nicht nur für Umwelt und Klima ist die Elektrifizierung der Strecke von Vorteil. Fahrgäste profitieren auch von verbesserten Verkehrsleistungen, denn der RE 19 wird nach dem Umbau der Strecke über Wesel hinaus bis nach Hamminkeln und Bocholt fahren und so eine neue Direktverbindung zwischen Düsseldorf und dem Ruhrgebiet bis ins westliche Münsterland schaffen. Hierzu werden die zwei Zugteile des „Rhein-IJssel-Express“ in Wesel getrennt: Einer fährt wie bisher weiter über Emmerich nach Arnhem in den Niederlanden, der andere steuert Hamminkeln und Bocholt an – und das mit deutlich größeren Kapazitäten als bisher. Bis dato stehen Nahverkehrskund*innen 120 Sitzplätze pro Fahrzeug zur Verfügung, zukünftig werden es 250 sein. „Mit der Elektrifizierung der Strecke und der neuen Direktverbindung verbessern wir das SPNV-Angebot in der Region. So gehört der heute oftmals nicht funktionierende Anschluss in Wesel vom verspätungsanfälligen RE 5 der Vergangenheit an“, betont Vorstand Lünser. „Wir hoffen, dass die verbesserten Verkehrsleistungen mehr Fahrgäste dazu bewegen, vom eigenen Auto auf den Zug umzusteigen.“

Aufwendige Bauarbeiten von Juli bis Dezember 2021

Damit der elektrische Betrieb aufgenommen werden kann, muss zunächst von Wesel bis Bocholt eine neue Oberleitungsanlage gebaut werden. Hierzu errichtet die Deutsche Bahn 355 neue Masten und montiert 24.000 Meter sogenannte Kettenwerke und 3.300 Meter Bahnenergieleitungen. Parallel starten zahlreiche weitere Bauarbeiten. So werden beispielsweise 19 Bahnübergänge modernisiert, ausgebaut oder neu errichtet und – sofern noch nicht vorhanden – mit Ampeln und Halbschranken ausgerüstet. Auch an einigen anliegenden Straßen finden Bauarbeiten statt.

In den Bahnhöfen Hamminkeln und Bocholt passt die Deutsche Bahn die Gleisanlagen an und errichtet im Bahnhof Wesel einen Schaltposten, über den die elektrische Spannung in die Strecke eingespeist wird. Durch diesen „Schalter“ kann die Strecke vom übrigen elektrischen Streckennetz getrennt werden. Die zwingend notwendige elektronische Stellwerkstechnik wird ebenfalls an den Bahnhöfen Hamminkeln und Bocholt installiert.

Im Zuge des Projektes werden alle Bahnhöfe entlang der Strecke (Blumenkamp, Hamminkeln, Dingden und Bocholt) zudem so ausgebaut und modernisiert, dass ein niveaugleicher Zugang zu den Zügen möglich ist. Hierzu werden die Bahnsteige auf eine Höhe von 76 Zentimetern über Schienenoberkante erhöht. Um den Aufenthalt an den Stationen für Nahverkehrskund*innen angenehmer zu machen, werden die Bahnsteige mit Sitzen und Wetterschutzeinrichtungen, neuer Beleuchtung und Lautsprechern zur Fahrgastinformation ausgerüstet.

Infografik über die Arbeiten am Streckennetz

Nachgefragt bei Sebastian Brinkmann von der DB Netz AG

Die anstehenden Bauarbeiten sind komplex und technisch sehr aufwendig. Deshalb wird die Strecke vom 5. Juli bis zum 12. Dezember 2021 vollständig für den Eisenbahnverkehr gesperrt und ein Schienenersatzverkehr errichtet. Wir wollten wissen, warum sich die Projektpartner hierfür entschieden haben und haben bei Sebastian Brinkmann, Leiter Projekte Signal-, Telekommunikations- und Elektrotechnische Anlagen NRW 2 bei der DB Netz AG, nachgefragt.
 

Wibke Hinz: Herr Brinkmann, eine vollständige Streckensperrung über einen so langen Zeitraum schränkt die Mobilität der Fahrgäste entlang der „Bocholter Bahn“ extrem ein. Warum haben Sie sich trotzdem dafür entschieden und bauen nicht unter „rollendem Rad“?

Wo immer möglich versuchen wir natürlich, unter „rollendem Rad“ zu bauen. Auch einige vorbereitende Arbeiten für die geplante Elektrifizierung, wie z. B. die Vegetationsarbeiten von Oktober bis Februar, haben wir auf diese Weise realisiert. Seit Februar bauen wir schon durchgängig an der Strecke und errichten z. B. Kabelquerungen oder erstellen den Kabelkanal entlang der Strecke.

Der größte Teil der Arbeiten erfordert allerdings eine Sperrung der Gleise. Die Errichtung der rund 350 Oberleitungsmasten und die Montage des Kettenwerks wären in nächtlichen Zugpausen allein nicht realisierbar. Zudem würde sich die Bauzeit erheblich verlängern.

Wir sind uns der Dauer der Streckensperrung bewusst und nutzen diese Zeit daher optimal aus. So werden parallel zur Elektrifizierung auch die Stationen entlang der Strecke barrierefrei umgebaut und eine Eisenbahnbrücke über der IJssel in Hamminkeln erneuert. Allein für die Erneuerung der Brücke ist eine Streckensperrung für einige Monate notwendig. Wir docken mit unseren Elektrifizierungsarbeiten direkt an diese Sperrung an und können durch die Bündelung der Maßnahmen die Sperrung so kurz wie möglich halten

 

Wibke Hinz: Welche Partner haben Sie in die Planung des Bauvorhabens mit eingebunden und was waren die besonderen Herausforderungen?

Bei einem Projekt dieser Größenordnung spielen immer eine ganze Menge Partner eine wichtige Rolle. Auf der einen Seite die verschiedenen Planungsbüros und auf der anderen Seite die einzelnen Gewerke, wie zum Beispiel für die Oberleitungsarbeiten, die Bahnübergänge, den Kabeltiefbau oder die ganze Telekommunikation. Da kommt dann schon einiges an Abstimmungsbedarf zusammen.

Und natürlich war es uns im Vorfeld auch wichtig, die Anmerkungen der direkt betroffenen Städte und Anwohner*innen sowie unserer direkten Partner VRR und NWL aufzunehmen und in die Planungen einfließen zu lassen. Ich denke, uns ist das gemeinsam super gelungen und ich freue mich schon auf die erste Fahrt nach Bocholt in einem E-Triebzug.


Wibke Hinz: Die Strecke Wesel – Bocholt wird nicht nur mit Oberleitungen, sondern auch mit moderner elektronischer Stellwerkstechnik ausgerüstet. Welche Vorteile bringt diese Technik für den Eisenbahnverkehr und damit auch für die Fahrgäste mit sich?

Die moderne elektronische Stellwerkstechnik ist ein besonders wichtiger Aspekt für den zukünftigen Eisenbahnverkehr. Moderne Stellwerke ermöglichen ein sehr stabiles Betriebsprogramm. Die zukünftige Zugteilung in Wesel kann damit von einem einzigen Fahrdienstleiter gesteuert werden. Dadurch wird der gesamte Prozess vereinfacht und der Abstimmungsbedarf der Fahrdienstleiter untereinander wird deutlich verringert. Was die Fahrgäste angeht, werden sie die Vorteile der neuen Technik insbesondere an einem stabilen Fahrplan merken. Außerdem profitieren sie zukünftig von den barrierefrei modernisierten Stationen Dingden, Blumenkamp, Hamminkeln und Bocholt.

Interessiert an weiteren Informationen?

Dann besuchen Sie das BauInfoPortal der Deutschen Bahn. Dort finden Sie detaillierte Informationen und einen Zeitplan zum Ablauf der anstehenden Bauarbeiten sowie Hinweise für Anwohner*innen.

Jetzt klicken und informieren!

 

Den Fahrplan der Busse (Schienenersatzverkehr) während der Baumaßnahme vom 05.07. bis zum 11.12.2021 finden Sie auf www.zuginfo.nrw

Wibke Hinz

Von Wibke Hinz
PR-Redakteurin


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