Frau mit Maske steht in der Tür einer am Bahnsteig stehenden S-Bahn

16. März 2021

VRR zieht Bilanz: Nahverkehr steht durch die Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen

Die Corona-Pandemie hat im Jahr 2020 nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche geprägt und den gesamten Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) enorm herausgefordert. Auch das Jahr 2021 verlief für die ÖPNV-Branche bislang ernüchternd. Entsprechend zieht der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) rückblickend auf das vergangene Jahr eine differenzierte Bilanz. Nach einem guten Start in das Jahr 2020, wurde die positive Entwicklung im ÖPNV durch den ersten Corona-Lockdown im März jäh gestoppt: Entgegen dem Trend der zurückliegenden Jahre mit Einnahmesteigerungen, endete das Jahr 2020 mit finanziellen Ausfällen. Die Ticketumsätze fielen im zurückliegenden Jahr um 233,5 Millionen Euro auf insgesamt 1,097* Milliarden Euro (*noch kein endgültiges Ergebnis, leichte Abweichungen sind noch möglich). Das entspricht einem Minus von 17,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Einnahmeverluste und Fahrgastrückgänge

Als unverzichtbares Rückgrat der Mobilität in Nordrhein-Westfalen leistet der ÖPNV in Krisenzeiten seinen gesellschaftlichen Beitrag. Um die Mobilität der Menschen zu sichern, gewährleisten die Verkehrsunternehmen im VRR seit Beginn der Pandemie eine stabile Grundversorgung und erbringen 100 Prozent des Verkehrsangebotes – und das obwohl sehr viel weniger Nahverkehrskund*innen den ÖPNV nutzen. Im März 2020 gingen die Fahrgastzahlen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit um 70 bis 80 Prozent zurück. Ab Mai erholte sich die Situation langsam, bevor die Zahlen ab dem Teillockdown im Oktober 2020 und im späteren harten Lockdown erneut sanken. Aktuell liegen die Fahrgastzahlen bei rund 30 Prozent verglichen mit der Zeit vor der Pandemie.

„Der Nahverkehr in Deutschland ist systemrelevant und auch in dieser Krise leistungsstark. Die Verkehrsunternehmen sichern einen stabilen Betrieb und haben seit Beginn der Pandemie zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um Nahverkehrskund*innen und Mitarbeiter*innen vor Infektionen zu schützen – angefangen bei Hygienekonzepten über Fahrzeugumbauten bis hin zu kürzeren Reinigungsintervallen. Dies zeigt, dass die Branchengemeinschaft selbst in Krisenzeiten im Sinne der Fahrgäste funktioniert“, betont José Luis Castrillo, Vorstand des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr.

ÖPNV-Rettungsschirm sichert Verkehrsangebot in Krisenzeiten

Symbolbild Rettungsschirm: gezeigt wird ein Schirm über Piktogrammen von Bus und Bahn

Die Einnahmeausfälle von 233,5 Millionen Euro, bei ursprünglich erwarteten Verkehrserträgen von rund 1,3 Milliarden Euro, konnten durch die vom Bund und dem Land NRW zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel aus dem Corona-Rettungsschirm aufgefangen werden. Dies sicherte für das Jahr 2020 die Finanzierung des ÖPNV im VRR. „Außerdem sind uns rund 94 Prozent unserer Abonnent*innen in den schwierigen Zeiten treu geblieben. Ein deutlicher Vertrauensbeweis in den ÖPNV, über den wir uns sehr freuen“, so José Luis Castrillo. 84 Prozent aller Einnahmen werden über die Stammkund*innen erzielt, somit sind die Tarifangebote für Vielfahrer*innen nach wie vor die wesentliche Ertragssäule im ÖPNV. Bedingt durch den erneuten Lockdown rechnet der VRR allerdings auch für das Jahr 2021 mit weiteren Einnahmeausfällen. „Wir begrüßen, dass sich Bund und Land für eine Fortführung des ÖPNV-Rettungsschirms ausgesprochen haben. Es ist wichtig, dass der Finanzierungsbedarf ausgeglichen wird, damit unsere Partner im VRR weiterhin ihr volles Verkehrsangebot aufrechterhalten können. Nur so können sie eine zukunftsfähige Mobilität sichern, die klima- und umweltfreundlich ist“, betont Castrillo. „Der ÖPNV ist für den Klimaschutz besonders wichtig. Denn er ist nicht nur ein Beförderungsmittel, sondern leistet einen wesentlichen Beitrag, um CO2-Emissionen zu reduzieren.“
Eine große Aufgabe für die kommenden Monate, vielleicht sogar Jahre ist es, insbesondere die Fahrgäste zurückzugewinnen, die nur gelegentlich mit Bus und Bahn unterwegs sind. José Luis Castrillo erklärt: „Wir gehen davon aus, dass sich die Situation erholen wird, wenn das gesellschaftliche Leben wieder anläuft und es Anlässe für Fahrten mit Bus und Bahn gibt – beispielsweise in der Freizeit, zu Bundesligaspielen mit Zuschauer*innen, zu Konzerten oder Messen.“

Welche wesentlichen Einflüsse hat Corona darüber hinaus auf den Nahverkehr?

Dieser Frage widmen wir uns gemeinsamen mit dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) regelmäßig seit Ausbruch der Pandemie. Es zeigt sich, dass Corona die Verkehrsmittelwahl höchstwahrscheinlich auch im Jahr 2021 zu Ungunsten des ÖPNV beeinflussen wird. Zudem deutet sich an, dass sich die gesamte Arbeitsplatz-Mobilität nachhaltig verändern wird, bedingt durch eine veränderte Präsenzkultur, Homeoffice und berufliche Reisen. Wie in vielen Lebensbereichen ist die Pandemie auch im Öffentlichen Personennahverkehr ein Treiber für die Digitalisierung. So nutzen Fahrgäste beispielsweise verstärkt die VRR App, um Fahrplanauskünfte einzuholen. „Die Corona-Pandemie wirkt sich massiv auf unser Arbeiten, Lernen und unsere Freizeit aus und stellt damit den öffentlichen Verkehr in Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße vor große Herausforderungen“, erklärt Vorstand Castrillo. „Deshalb werden wir gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern untersuchen, wie die Arbeitswelt in unserem Wirtschaftsraum zukünftig gestaltet sein wird, um daraus Rückschlüsse für nachfragegerechte Mobilitätsangebote ziehen zu können.“

Blick über die Schulter einer Frau auf ein Smartphone mit der VRR App im Display
Pandemie als Treiber für die Digitalisierung: Immer mehr Menschen nutzen die VRR App

„FlexTicket“ in den Startlöchern

„FlexTicket“ in den Startlöchern

Bereits heute arbeiten wir an solchen einfachen und flexiblen Tarifen, die dieser Entwicklung gerecht werden. Verschiedene VRR-Verkehrsunternehmen interessieren sich für ein Pilotprojekt, in dem ein Homeoffice-Tarif getestet werden soll: Gemeinsam mit der Rheinbahn AG haben wir ein Tarifmodell entwickelt, das zunächst Großkunden zeitlich begrenzt angeboten wird. Sofern die politischen Gremien des VRR grünes Licht geben, soll das Modell im zweiten Quartal 2021 unter dem Namen „FlexTicket“ an den Start gehen. „Solche Nahverkehrstarife, die dem Trend zum Homeoffice Rechnung tragen, bringen mehr Flexibilität ins aktuelle Tarifangebot und sind eine echte Alternative zur Fahrt mit dem eigenen Auto“, betont José Luis Castrillo.

Leistungsgerechter eTarif für ganz Nordrhein-Westfalen

Karte von NRW, die Verkehrsverbünde sind jeweils farbig dargestellt

Mit einfachen und flexiblen Angeboten für unterschiedliche Kund*innengruppen möchten wir bereits seit vielen Jahren weitere Fahrgäste für den Öffentlichen Personennahverkehr gewinnen. Wir entwickeln den Nahverkehrstarif kontinuierlich strukturell weiter und setzen verstärkt auf digitale Technologien, um die verschiedenen Verkehrsmittel noch effizienter zu verknüpfen. Mit dem federführend von der Stadtwerke Neuss GmbH in Kooperation mit der Rheinbahn AG und dem VRR entwickelten „nextTicket 2.0“ können Sie bereits seit Sommer 2020 ein weiteres Mal einen elektronischen Tarif nutzen, der die Fahrtkosten automatisiert auf Basis der zurückgelegten Luftlinienkilometer berechnet. Dieser zeitgemäße und kundenfreundliche ÖPNV-Zugang ist Teil eines Prozesses hin zu einem eTarif für ganz Nordrhein-Westfalen. Dieser macht verbundübergreifende Fahrten mit Bus und Bahn zukünftig deutlich einfacher.

Check-in/Be-out für einen einfachen Zugang zum Nahverkehr

Mit Check-in/Be-out (CiBo) schaffen die drei nordrhein-westfälischen Zweckverbände derzeit die technischen Voraussetzungen für ein flächendeckendes, landesweites Ticketing-System, das Nahverkehrskund*innen direkt über ihr Smartphone nutzen können und das voraussichtlich im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2021 an den Start gehen wird. Beim Check-in erhält der Fahrgast eine Fahrberechtigung; beim automatischen Be-out am Ende der Fahrt mit dem ÖPNV wird der entsprechende Fahrpreis automatisiert ermittelt. Bei Einführung des Systems wird in einem ersten Schritt zunächst auf die automatisierte Be-out-Funktion verzichtet. Stattdessen bietet das System eine „assisted“ Check-out-Funktion, die den Fahrgästen zunächst als Hilfestellung dient und nach einiger Zeit auf ein richtiges Be-out umgestellt wird. 

Das CiBo-NRW-Projekt wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert.

Logo des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
Wibke Hinz

Von Wibke Hinz
PR-Redakteurin


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