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20. Mai 2025

Branche diskutiert über die Mobilität der Zukunft Fünftes NRW-Mobilitätsforum in Gelsenkirchen

Auf Einladung der drei NRW-Aufgabenträger Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und go.Rheinland trafen sich 380 Vertreter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum fünften NRW-Mobilitätsforum in der Gelsenkirchener Heilig-Kreuz-Kirche. Unter dem Motto „Mobilität der Zukunft“ standen gesellschaftliche Trends, politische und marktwirtschaftliche Entwicklungen sowie technologische Innovationen im Fokus des Branchenevents. Neben NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer war auch der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder – live zugeschaltet aus Berlin – beim Mobilitätsforum dabei.

Hausspitzen der drei nordrhein-westfälischen SPNV-Aufgabenträger begrüßten die 380 Teilnehmer*innen

NRW-Mobilitätsforum 2025: Die Unternehmensspitzen der SPNV-Aufgabenträger bei der Begrüßung
Gemeinsam mit Moderator Tobias Häusler (rechts) begrüßten die NRW-Aufgabenträger die anwesenden Gäste: Dr. Norbert Reinkober, Geschäftsführer go.Rheinland, Christiane Auffermann, stellvertretende Geschäftsführerin Nahverkehr Westfalen-Lippe und Oliver Wittke, Vorstandssprecher Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (v. l. n. r.)

Live zugeschaltet: Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder

„Meine Richtschnur ist ganz klar: Politik muss sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Kein Verkehrsträger ist besser oder schlechter als der andere. Mir ist wichtig, alle diese Bedürfnisse ernst zu nehmen und alle Verkehrsträger zu stärken und zwar insbesondere auch in den ländlichen Regionen“, sagte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder.

Er betonte zudem einen schnellen Handlungsbedarf bezüglich des DeutschlandTickets. „Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir spätestens im Oktober Klarheit über die operativen Umsetzungsschritte brauchen, damit das DeutschlandTicket ab dem 1. Januar 2026 rechtssicher ist und bleibt. Das heißt, dass das zugehörige Gesetzgebungsverfahren noch vor dem Sommer abgeschlossen sein und ins Kabinett kommen muss“, so Schnieder. „Deshalb versichere ich Ihnen: Wir bleiben konstruktiv und wir bleiben am Ball.“

VRR-Vorstandssprecher Oliver Wittke freute sich über das klare Bekenntnis des Bundesverkehrsministers zum DeutschlandTicket: „Wir wollen und werden den ÖPNV in NRW besser und einfacher machen, ganz im Sinne unserer Fahrgäste, aber ohne die Unterstützung vom Bund geht es nicht. Gerade um das Potenzial für das DeutschlandTicket zu heben, ist eine Planungssicherheit über das Jahr 2026 hinaus unerlässlich.“

  • NRW-Mobilitätsforum 2025: Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder und VRR-Vorstandssprecher Oliver Wittke
    Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder war live zugeschaltet zum NRW-Mobilitätsforum in Gelsenkirchen.
  • NRW-Mobilitätsforum 2025: VRR-Vorstandssprecher Oliver Wittke
    VRR-Vorstandssprecher freute sich über das klare Bekenntnis von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder zum DeutschlandTicket.

Podiumsdiskussion zur Zukunft des DeutschlandTickets

Branche wünscht sich verbindlichen Preisfortschreibungsmechanismus

Auch bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer ging es um die Frage, wie das DeutschlandTicket dauerhaft gesichert und sinnvoll weiterentwickelt werden kann. „Das klare Bekenntnis des Bundes ist gut und wichtig. Wir müssen nun aber aufpassen, dass das DeutschlandTicket durch exorbitante Preiserhöhungen nicht von innen ausgehöhlt wird und die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer hierdurch deutlich sinkt.“

NRW-Mobilitätsforum 2025: NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer

Dass moderate Preiserhöhungen unerlässlich sind, darüber herrschte Einigkeit bei den anwesenden Podiumsteilnehmer*innen. „Preisanpassungen gab es immer, auch in den Verbundtarifen. Daran sind die Menschen gewöhnt. Die Frage ist nur, wie hoch sie ausfallen. Viel wichtiger ist aber die Planungssicherheit, nicht nur für Endkunden, sondern insbesondere für die Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden das DeutschlandTicket als Jobticket anbieten möchten. Wir brauchen zwingend einen gesetzlich regulierten, verbindlichen Preisfortschreibungsmechanismus, der nicht jedes Jahr wieder neu diskutiert wird“, sagte Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV).

Auch Dr. Linda Kisabaka, Sprecherin der Geschäftsführung der Ruhrbahn GmbH sagte, wie wichtig Stabilität für das DeutschlandTicket sei und das Wissen für alle Akteur*innen, wie es ab 2026 konkret mit dem DeutschlandTicket weitergeht: „Ob ab 2026 die drei Milliarden Euro Zuschuss aus Bundes- und Landesmitteln reichen, ist nicht die entscheidende Frage. Wichtig ist, dass wir Verkehrsunternehmen und die Verbünde das finanziert bekommen, was von uns erwartet wird: die Infrastruktur zu erneuern, das heutige Angebot zu sichern und perspektivisch weiter auszubauen – und zwar nicht nur im Ballungsraum, sondern auch in den ländlichen Regionen.“

  • NRW-Mobilitätsforum 2025: Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV)
    Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV)
  • NRW-Mobilitätsforum 2025: Dr. Linda Kisabaka, Sprecherin der Geschäftsführung der Ruhrbahn GmbH
    Dr. Linda Kisabaka, Sprecherin der Geschäftsführung der Ruhrbahn GmbH

Intensiver Vertrieb als Schlüssel zum Erfolg

HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt betonte die Bedeutung eines intensiven Vertriebs für die Akzeptanz und den Erfolg des DeutschlandTickets: „Meine Grundprämisse ist: Das DeutschlandTicket wird bleiben, denn aus der Politik wird sich niemand trauen, das Angebot abzuschaffen. Mit dieser Einstellung haben wir bereits vor zwei Jahren unser Tarifsortiment bereinigt: Es gibt bei uns nur noch das DeutschlandTicket. Wir haben alle anderen Zeitkarten zum 1.1.2023 abgeschafft. Auf die gleiche Weise sind wir auch mit dem DeutschlandTicket Job umgegangen. Wir haben unseren Key Account vollständig darauf ausgerichtet. Mit dem Ergebnis, dass wir 14 Millionen DeutschlandTickets bundesweit haben, davon allein im HVV 1,3 Millionen. Jeder Zweite in Hamburg hat ein DeutschlandTicket. Das Erfolgsgeheimnis ist: Wir müssen nicht nur darauf warten, dass etwas verstetigt wird, sondern wir müssen Fakten schaffen und diese Transformation unabdingbar machen.“

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer mahnte ein bundesweit einheitliches Vorgehen an, um die Bekanntheit und den Vertrieb des Tickets weiter zu stärken: „Das Beste wäre, dass wir nicht mehr über Zuschüsse von Bund und Land reden, sondern dass es völlig normal in Deutschland ist, dass man ein DeutschlandTicket hat – egal ob privat, über den Arbeitgeber, die Universität oder die Schule. Das ist aber nur möglich, wenn wir auf der einen Seite die politische Unterstützung haben und das Angebot nicht mehr in Frage gestellt wird. Und wenn sich die Branche auf der anderen Seite im Marketing auch klar und bundesweit einheitlich zu dem Produkt bekennt und das Tarifsystem auf das DeutschlandTicket ausrichtet. Für NRW hoffe ich, dass wir irgendwann nur noch das DeutschlandTicket für Dauerkunden haben und eezy.nrw für Gelegenheitskunden – und sonst nichts mehr.“

NRW-Mobilitätsforum 2025: HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt und NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer
HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt diskutierte mit NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer.

SPNV der Zukunft

Eine weitere Podiumsdiskussion stand ganz im Zeichen des Schienenpersonennahverkehrs in NRW. Rund 30 Jahre nach der Bahnreform beteiligen sich immer weniger Eisenbahnverkehrsunternehmen an den europaweiten Wettbewerbsverfahren. Gleichzeitig leidet der Betrieb unter einem eklatanten Mangel an qualifiziertem Personal und funktionstüchtiger Infrastruktur.

Obwohl sich im Schnitt nur noch 1,3 Teilnehmer an Ausschreibungen von Verkehrsleistungen beteiligen, sagte Evelyn Palla, Vorständin Regionalverkehr der Deutschen Bahn AG, wie wichtig der Wettbewerb trotzdem für das Gesamtsystem sei. „Er ist für die Eisenbahnverkehrsunternehmen ein Mittel, um effizient zu bleiben. Allerdings ist der Kostendruck im System enorm. Die Folgen der Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine mit seinen Auswirkungen auf die Energiepreise und nicht zuletzt auch die Pönale bei infrastrukturellen Problemen lassen die Kosten immer weiter ansteigen. Deshalb brauchen wir für den SPNV-Wettbewerb andere Rahmenbedingungen und eine faire Risikoverteilung. Wir Eisenbahnverkehrsunternehmen sind bereit, Risiken zu übernehmen. Aber nur die, die wir auch managen können. Risiken durch eine marode Infrastruktur gehören nicht dazu“, betonte die DB-Managerin.

NRW-Mobilitätsforum 2025: Evelyn Palla, Vorständin Regionalverkehr der Deutschen Bahn AG
Evelyn Palla, Vorständin Regionalverkehr der Deutschen Bahn AG

Durch den enormen Kostendruck würden einige SPNV-Verträge zu einem Verlustgeschäft, sagte Marcel Winter, Geschäftsführer von go.Rheinland. „Mit den sogenannten Verträgen 2.0 haben wir auf diese Entwicklung schon Antworten gefunden. Allerdings müssen wir uns heute eigentlich schon damit beschäftigen, wie die Verträge 3.0 aussehen könnten. Wir müssen die Dinge, die wir tun, ständig hinterfragen. Die Verträge müssen gewissermaßen ‚atmen‘ können, denn von der Angebotsabgabe bis zum Ende der Vertragslaufzeit vergehen teils 20 Jahre“, so Winter.

Martin Becker-Rethmann, Präsident des mofair e. V., merkte kritisch an, dass der Preis in NRW immer noch zu 100 Prozent entscheidend bei der Vergabe von Verkehrsleistungen sei. „In Bayern wird die Qualität mit 30 Prozent berücksichtigt, das ist sehr sinnvoll“, sagte Becker-Rethmann. Außerdem stellte er die Frage nach funktionalen Ausschreibungen, die im Ausland bereits gelebte Praxis sind. Hierbei werden weder Fahrpläne noch Linien strikt vorgegeben, sondern es stehen die Mobilitätsbedürfnisse der Einwohner der betreffenden Region im Vordergrund. „Aus meiner Sicht müssen Aufgabenträger und Politik hier eine größere Flexibilität zulassen“, sagte der mofair-Präsident.

  • NRW-Mobilitätsforum 2025: Marcel Winter, Geschäftsführer von go.Rheinland
    Marcel Winter, Geschäftsführer von go.Rheinland
  • NRW-Mobilitätsforum 2025: Martin Becker-Rethmann, Präsident des mofair e. V.
    Martin Becker-Rethmann, Präsident des mofair e. V.

Antriebswende: Kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem

Auch der Antriebswende widmeten sich die Expert*innen, die durch den faktischen Ausstieg der letzten Bundesregierung aus der E-Bus-Förderung im kommunalen Nahverkehr fast vollständig zum Erliegen gekommen ist. Sabine Schnake, Geschäftsführerin der WSW mobil GmbH, sagte im Gespräch mit Moderator Tobias Häusler: „Die Antriebswende ist nach dem Ende der Bundesförderung eine große Herausforderung für die Kommunen und Verkehrsunternehmen, weil die Kosten für klimafreundliche batterie- oder wasserstoffbetriebene Busse doppelt so hoch sind wie für herkömmliche Dieselbusse. Uns bleibt vor diesem Hintergrund gar nichts anderes übrig, als wieder in Dieselbusse zu investieren.“

Ronald R. F. Lünser, CEO der CAF Deutschland GmbH, erklärte, dass es bei der Antriebswende kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem gebe, wie ein Blick auf die Zahlen zeige: „Es gibt in Deutschland rund 35.000 Busse, davon sind nur 3.500, und damit gerade einmal zehn Prozent, emissionsfrei. Leider sind die politischen Prioritäten in den letzten Jahren falsch gesetzt worden, das muss anders werden. Wir brauchen eine dauerhafte Finanzierung der Antriebswende, um die Unternehmen zu stärken.“ Positiv wertete der CAF-Manager das Signal der neuen Bundesregierung, dass die Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken beschleunigt und auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis verzichtet werden soll. „Das ist im Sinne der Sache“, so Lünser.

  • NRW-Mobilitätsforum 2025: Sabine Schnake, Geschäftsführerin der WSW mobil GmbH
    Sabine Schnake, Geschäftsführerin der WSW mobil GmbH
  • NRW-Mobilitätsforum 2025: Ronald R. F. Lünser, CEO der CAF Deutschland GmbH
    Ronald R. F. Lünser, CEO der CAF Deutschland GmbH

Vernetzte Mobilität: Transformation gelingt nur gemeinsam

In einer weiteren Podiumsdiskussion ging es um eine zukunftsfähige und klimafreundliche Mobilität für Kommunen. In einem dicht besiedelten Bundesland wie Nordrhein-Westfalen wünschen sich die Menschen eine flexible und umweltfreundliche Mobilität, die verschiedene Verkehrsmittel zu inter- und multimodalen Wegeketten kombiniert. Die Expert*innen widmeten sich der Frage, wie Städte und Kreise vernetzte, digitale Lösungen schaffen können, die den ÖPNV mit dem Rad- und Fußverkehr, alternativen Verkehrsträgern wie Car- und Bikesharing und Fahrgemeinschaften kombinieren. Dr. Inga Schlichting, Leiterin Smart City bei DB InfraGO, sagte: „Der ÖPNV muss Spaß machen, sonst bleiben die Menschen beim Auto.“ An sogenannten Mobilitäts-Hubs müsse alles verfügbar sein, damit die Menschen gut zu den Bahnhöfen kommen. Zudem sei die Verkehrswende eine Frage der Haltung: „Wir schaffen die Transformation nur gemeinsam.“ 

NRW-Mobilitätsforum 2025: Dr. Inga Schlichting, Leiterin Smart City bei DB InfraGO
Dr. Inga Schlichting, Leiterin Smart City bei DB InfraGO

Lebensrealität der Menschen auf dem Land anerkennen

Udo Sieverding, Abteilungsleiter Mobilität der Zukunft, Radverkehr, ÖPNV im NRW-Verkehrsministerium, widmete sich der schwierigen Finanzsituation im ÖPNV: „Das Finanzierungsthema beschäftigt uns auf allen Ebenen. Der ÖPNV ist immer ein Zuschussgeschäft. Leider sind die Löcher in den öffentlichen Haushalten aber groß und werden immer größer. Das Land NRW hat nur bedingt die Möglichkeit, diese Lücken zu füllen. Deshalb fördern wir gern Strukturen und Angebote, die gut funktionieren. Hier sind die Landesmittel effizient eingesetzt.“ Darüber hinaus appellierte er an die Branche, die Mobilität im ländlichen Raum nicht zu problematisieren, sondern als Lebensrealität anzuerkennen: „Die Entscheidung auf dem Land für den Pkw ist folgerichtig. Die Erfahrung zeigt, dass sogar die Abschaffung des Zweitautos hier nicht funktioniert. Wir müssen also genau schauen, wo wir Fördergelder investieren und wo wir die Realitäten akzeptieren müssen.“ Ein Ansatz, der auch auf Bundesebene immer wichtiger werden wird, wenn Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder betont, dass es zukünftig darum gehen werde, die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen stärker in den Fokus zu nehmen und alle Verkehrsträger zu stärken.

NRW-Mobilitätsforum 2025: Udo Sieverding, Abteilungsleiter Mobilität der Zukunft, Radverkehr, ÖPNV im NRW-Verkehrsministerium
Udo Sieverding, Abteilungsleiter Mobilität der Zukunft, Radverkehr, ÖPNV im NRW-Verkehrsministerium

Interessiert an weiteren Informationen?

Dann besuchen Sie die Website zum NRW-Mobilitätsforum. Hier finden Sie die Vorträge der Referent*innen und einige Impressionen aus der Heilig-Kreuz-Kirche im Gelsenkirchener Stadtteil Ückendorf.

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Wibke Hinz

Von Wibke Hinz
PR- und Online-Redakteurin


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