Ein RRX-Zug am Bahnsteig aus dem Menschen ein- und aussteigen

29. Januar 2021

Wer bezahlt eigentlich die Züge im ÖPNV? Und wem gehören Sie?

Egal ob S-Bahn, Regionalexpress oder Regionalbahn: Hochwertige und komfortable Züge gehören zu den wichtigsten Qualitätsmerkmalen im Nahverkehr. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat in den letzten zehn Jahren konsequent auf fast allen Linien bei der Ausschreibung von Verkehren auf Neufahrzeuge gesetzt, um für die Fahrgäste einen zeitgerechten Komfort in den Zügen anzubieten. Ihre Finanzierung stellt jedoch speziell kleinere oder private Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) vor große Probleme. Um die EVU bei der Anschaffung der Züge zu entlasten, unterstützten wir diese mit modernen Finanzierungsmodellen und einem eigenen Fahrzeugpool, sichern so den SPNV-Wettbewerb und verlässliche Betriebsleistungen in unserem Verkehrsgebiet.

Ein Blick in die Vergangenheit: Weltwirtschaftskrise führt zu neuen Wegen der Fahrzeugfinanzierung

Die Weltwirtschaftskrise 2008 bildete den Ausgangspunkt für unsere Bemühungen um alternative Möglichkeiten der Fahrzeugfinanzierung. Grundsätzlich galt damals wie heute, dass Züge im Rahmen europaweiter SPNV-Ausschreibungsverfahren beschafft werden müssen. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise war dies jedoch eine große Herausforderung – zumindest für kleinere, teils privat geführte EVU. Denn sie erhielten nicht die gleichen Finanzierungskonditionen wie die Deutsche Bahn und auch Leasingunternehmen waren nicht in der Lage Finanzierungen von Fahrzeugen abzubilden. Um einen einseitigen Wettbewerb um SPNV-Leistungen zu verhindern, haben wir das sogenannte VRR-Fahrzeugfinanzierungsmodell entwickelt. Gregor Böck, beim VRR zuständig für SPNV-Fahrzeuge und das Flottenmanagement, erklärt: „Mit diesem Modell können sich auch mittelständische Unternehmen an Ausschreibungen größerer Netze beteiligen, auf die sie normalerweise verzichten müssten – sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder weil sie auf herkömmlichen Wegen keine Kreditgeber zu annehmbaren Konditionen finden können.“

Das VRR-Fahrzeugfinanzierungsmodell

Alle profitieren von wirtschaftlich günstigen Konditionen

Der große Vorteil des VRR-Finanzierungsmodells: Alle Parteien profitieren von wirtschaftlich günstigen Konditionen. Die Finanzierung über Kommunalkredite erschließt Aufgabenträgern wie dem VRR und den bietenden Eisenbahnverkehrsunternehmen erhebliche Einsparpotenziale – durch günstige Kreditkonditionen, langfristig festgelegte Zinssätze und den Wegfall von Eigenkapitalkosten und Risikozuschlägen. Zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit kommt es zusätzlich dadurch, dass der VRR zusichern kann, dass die Fahrzeuge über ihren kompletten Lebenszyklus (30 Jahre) eingesetzt werden können, ggf. in einer zweiten Verkehrsvertragslaufzeit auch von einem anderen Eisbahnverkehrsunternehmen.

Auch wenn das VRR-Fahrzeugfinanzierungsmodell zahlreiche Vorteile mit sich bringt: Zwingend vorgegeben wird es in einem Wettbewerbsverfahren nicht. Es ist vielmehr eine von mehreren Optionen. Auch andere Finanzierungsformen wie Kauf oder Leasing sind möglich. Am Ende entscheidet das Eisenbahnverkehrsunternehmen selbst bzw. die günstigste Art der Finanzierung, auf welchem Wege die Fahrzeuge beschafft werden. In vier Wettbewerbsverfahren konnte sich das VRR-Modell jedoch inzwischen durchsetzen: 77 Fahrzeuge wurden auf diese Weise bisher beschafft und sind auf den Linien RE 19/RB 35, RE 7/RB 48, RB 34/RB 39 sowie der S 7 im Einsatz.

NRW-RRX-Modell: neue Maßstäbe bei der Fahrzeugfinanzierung

Eine Weiterentwicklung des VRR-Fahrzeugfinanzierungsmodells stellt das sogenannte NRW-RRX-Modell dar, das, wie es der Name bereits verrät, erstmals beim Rhein-Ruhr-Express (RRX) zum Einsatz kam. Der RRX ist eines der wichtigsten Mobilitätsprojekte der letzten Jahrzehnte. Mit ihm soll die Leistungsfähigkeit und die Kapazitäten auf der Strecke zwischen Dortmund und Köln verbessert werden – und zwar durch zusätzliche Verkehre, eine hohe Taktdichte und moderne Fahrzeuge. Das Ziel ist ein 15-Minuten-Takt zwischen Dortmund und Köln. Damit das gelingt, muss die Netzinfrastruktur an wichtigen Knotenpunkten und ausgewählten Streckenabschnitten ausgebaut werden. Und es müssen bereits heute – im sogenannten RRX-Vorlaufbetrieb – besondere Anforderungen an Fahrzeuge erfüllt werden, um nach Fertigstellung der Infrastruktur problemlos auf das RRX-Zielkonzept umstellen zu können.

 

Was genau ändert sich im späteren RRX-Betrieb?

Wenn nach dem Ausbau der Eisenbahninfrastruktur von dem heutigen Vorlaufbetrieb auf den eigentlichen RRX umgestellt wird, dann sind betriebliche Änderungen vorgesehen: Linienäste werden getauscht, einige Linien verlängert, andere verkürzt. Deshalb müssen Fahrzeuge zwischen den Linien verschoben werden, was bei unterschiedlichen Fahrzeugtypen auf den verschiedenen RE-Linien im Vorlaufbetrieb unmöglich wäre. Die Lösung: einheitliche Fahrzeuge für alle RRX-Linien. Auf herkömmlichem Wege oder mit dem VRR-Finanzierungsmodell hätten so viele einheitliche Fahrzeuge aber nicht beschafft werden können.

Das NRW-RRX-Modell

Eine einheitliche Fahrzeugflotte für den RRX

Das NRW-RRX-Modell wurde entwickelt, um bei der Größe des RRX-Netzes und der benötigten Anzahl neuer Züge überhaupt eine einheitliche Fahrzeugflotte beschaffen und finanzieren zu können, gleichzeitig aber auch einen funktionierenden Wettbewerb um die RRX-Verkehrsleistungen zu ermöglichen. Die Vergabe der Eisenbahnbetriebsleistungen sowie die Beschaffung, Wartung und Instandhaltung der RRX-Fahrzeuge wurden in einem europaweiten Wettbewerbsverfahren getrennt voneinander vergeben. So konnten sich auch kleinere und mittelständische EVU am Verfahren um die Betriebsleistungen beteiligen. Und bei der Fahrzeugbeschaffung waren erstmals nicht allein der Fahrzeugpreis, sondern die gesamten Lebenszykluskosten ausschlaggebend für den Zuschlag – also auch die Kosten für Energie, Wartung und Instandhaltung der Züge über einen Zeitraum von über 30 Jahren.

Georg Seifert, verantwortlich für den Schienenpersonennahverkehr im VRR, erklärt, welche Vorteile das Modell bietet:

Das NRW-RRX-Modell auf einem Blick

Inzwischen kümmern wir uns um einen ca. 200 Züge umfassenden Pool an Nahverkehrsfahrzeugen, die im Rahmen von SPNV-Ausschreibungsverfahren finanziert und für den Betrieb unterschiedlicher Linien und Netze zur Verfügung gestellt werden – so beispielsweise auch die 41 neuen S-Bahn-Fahrzeuge der Stadler Pankow GmbH für die S-Bahn-Linien S 2, S 3, S 9, RB 32, RB 40 und RE 49.

Mit einem Fahrzeugpool wandelt sich die Schnittstelle zwischen Aufgabenträger, Fahrzeughersteller und Eisenbahnverkehrsunternehmen – das zeigen die Erfahrungen aus den letzten Jahren. Denn alle Beteiligten nehmen immer häufiger Rollen ein, die sie bislang entweder gar nicht oder nicht in dem Maße innehatten. Teilweise wird Verantwortung auf andere Akteure übertragen. Fahrzeughersteller sind oftmals nicht nur für die Produktion, sondern bei einigen Fahrzeugflotten auch für die Wartung, Instandhaltung und damit auch die Verfügbarkeit der Züge verantwortlich. Die EVU hingegen konzentrieren sich verstärkt auf ihr Kerngeschäft, den Betrieb. Und SPNV-Zweckverbände wie der VRR als Fahrzeugeigentümer und Besteller der Verkehrsleistungen übernehmen heute noch mehr als in der Vergangenheit koordinierende Aufgaben und das Controlling. Denn auch bei SPNV-Fahrzeugflotten gilt: „Eigentum verpflichtet“

Wie wir sicherstellen, dass all das einen verlässlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen hat:

Hierzu haben wir im September 2013 den sogenannten ZV VRR Eigenbetrieb Fahrzeuge und Infrastruktur (ZV VRR FaIn-EB) gegründet – zugegeben ein etwas sperriger Name. Aber so sperrig der Name auch sein mag, hier organisieren wir das operative Geschäft rund um die SPNV-Fahrzeuge, damit alles seine Ordnung hat. Der ZV VRR FaIn-EB

  • übernimmt die Beschaffung und Finanzierung von Schienenfahrzeugen zur Nutzung im SPNV, schließt alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Verträge und führt die dazugehörigen Vergabeverfahren durch,
  • überlässt die Züge den Eisenbahnverkehrsunternehmen für den Betrieb der Linien und Netze,
  • er überwacht die im Eigentum des Zweckverbandes stehenden Fahrzeuge sowie sämtliche hierfür geschlossenen Verträge und Verwaltungsvereinbarungen in technischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht.
Wibke Hinz

Von Wibke Hinz
PR-Redakteurin


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