Unterwegs mit dem VRR-Profitester: Im Einsatz für eine bessere Qualität
Damit Sie sich in unseren Zügen wohl fühlen und den SPNV gern für Ihre täglichen Wege nutzen, ist die Qualität der angebotenen Leistungen sehr wichtig. Doch wie prüft der VRR eigentlich, ob die Züge und Haltepunkte in einem angemessenen Zustand sind? Ein zentraler Dreh- und Angelpunkt des Qualitätsmanagements sind die VRR-Profitester*innen – speziell geschulte Mitarbeiter*innen, die im Verbundgebiet unterwegs sind und Fahrzeuge und Stationen genau unter die Lupe nehmen. Einen Vormittag lang habe ich einen Profitester bei seiner Arbeit begleitet.
Die VRR-Profitester*innen: eine bunte Truppe gut geschulter Mitarbeiter*innen
Ich begleite Profitester Werner K.* an einem sonnigen Frühlingstag bei seinen Testfahrten auf der Strecke Gladbeck-Zweckel – Dorsten – Lembeck – Dorsten – Deuten – Gladbeck-Zweckel mit dem RE 14 und der RB 45. Wir treffen uns am Bahnhof Gladbeck-Zweckel bei strahlendem Sonnenschein. Der 67-Jährige ist einer von insgesamt 14 Profitester*innen, die für den VRR unterwegs sind. „Wir sind eine bunte Truppe aus Vollzeittester*innen, Student*innen und Rentner*innen, so wie ich“, erzählt mir der ehemalige Berufssoldat. Nach seinem Renteneintritt hatte es ihm nicht gereicht, nur noch zuhause, ohne feste Aufgabe zu sein. So ist er schließlich, nach verschiedenen anderen Minijobs im Jahr 2014 als Profitester zum VRR gekommen. Seitdem überprüft er regelmäßig sieben SPNV-Linien und ca. 30 Bahnhöfe. Hierzu wurde er, so wie seine Kolleg*innen, umfassend vom VRR eingearbeitet – und auch Weiterbildungen stehen regelmäßig auf dem Programm.
Bei seinen Testfahrten bewertet Werner hauptsächlich die Pünktlichkeit, die Fahrgastinformation, den Zustand von Fahrzeugen und Bahnstationen sowie das Personal im Zug. Gelegentlich erfasst er auch Sonder- oder baustellenbedingte Schienenersatzverkehre. An diesem Tag sind wir aber auf einer standardmäßigen Testfahrt unterwegs, wie Werner sie zwei- bis dreimal in der Woche unternimmt. Ein Blick auf die Uhr zeigt uns, dass der RE 14 jeden Moment einfahren sollte. „Die Schranken des Bahnübergangs dahinten sind schon zu, der Zug wird jeden Moment kommen“, weiß der Profitester. Und tatsächlich ist das Fahrzeug der NordWestBahn schon in der Ferne zu erkennen und fährt einen kurzen Augenblick später am Bahnsteig ein. Pünktlich um 9:54 Uhr starten wir unsere Fahrt Richtung Dorsten: Dort beginnt der offizielle Test.
Gute Abstimmung und kollegiales Miteinander erleichtern die Zusammenarbeit
Um genau 10:01 Uhr hält der Regionalexpress wie geplant am Bahnhof Dorsten. Wir steigen aus dem Fahrzeug und wechseln das Gleis, um unsere Fahrt mit der RB 45 nach Lembeck fortzusetzen. Mir fallen direkt einige Graffiti ins Auge und ich frage meinen Begleiter, warum er an diesem Bahnhof keine Erhebung vornimmt. „Hier war ich neulich schon“, antwortet er augenzwinkernd und ich erfahre, dass jede Station einmal pro Quartal und jede Linie mindestens 70 Mal im Sommer- und mindestens 70 Mal im Winterhalbjahr geprüft wird. Bei 49 Linien und 295 Stationen im gesamten VRR-Gebiet macht das insgesamt mehr als 6.800 Zug- und knapp 1.200 Stationstestungen im Jahr. Ich staune bei dieser enormen Anzahl und frage Werner, wie er und seine Kolleg*innen dabei den Überblick behalten. „Wir sind ein gut eingespieltes Team und verstehen uns sehr gut“, freut sich der Profitester. „Ein enger und kollegialer Austausch mit den Kolleg*innen ist bei unserer Arbeit sehr wichtig. Wir haben zwar alle spezielle Linien und Stationen, um die wir uns in erster Linie kümmern. Aber wir helfen uns auch untereinander aus und stimmen uns ab, wer gerade wo unterwegs ist. So werden keine Erhebungen doppelt gemacht oder übersehen.“ Werner zeigt mir die Chat-Gruppe der Profitester*innen, in der tatsächlich an diesem Tag auch schon ein reger Austausch stattgefunden hat. Dabei erzählt er mir, dass die Corona-Lage natürlich auch die Zusammenarbeit der Profitester*innen beeinflusst, da persönliche Arbeitstreffen und gemeinsame Schulungen vor Ort aktuell nicht möglich seien. Aber auch digital gelingt der Austausch reibungslos.
Funktionalität, Sauberkeit und Kundeninformation sind das A und O
Als die RB 45 der NordWestBahn zum Stehen kommt, beginnt der Profitester mit seiner Prüfung. Der erste Blick fällt auf die Uhr – nichts zu beanstanden, der Zug ist pünktlich. Dann schaut sich Werner das Fahrzeug von außen an: Ist die Zugbeschriftung – Liniennummer und Zielort – vorhanden und korrekt? Ist das Fahrzeug sauber und frei von Graffiti? Gibt es eventuelle Schäden? „Wir verschaffen uns immer erst einmal einen äußeren Gesamteindruck, bevor wir einsteigen und mit der Prüfung des Innenraums beginnen. Je nachdem, wie stark es verschmutzt ist oder welche Mängel vorliegen, müssen wir das Fahrzeug oder eben auch die Station nach einem mehrstufigen System abwerten – von sehr gut bis inakzeptabel“, erklärt mir Werner, während er leichte Verschmutzungen am Fahrzeug feststellt, das ansonsten aber in einem guten äußeren Zustand ist.
Beim Betreten des Fahrzeugs blickt Werner als erstes auf die Dynamischen Haltestellenanzeiger und die aushängenden Liniennetzpläne, später achtet er auf die Durchsagen im Zug. Er erklärt mir, dass verlässliche Informationen für die Reisenden – neben Sauberkeit und Funktionalität –besonders relevant sind, um sich bei der Fahrt gut zurechtzufinden. Entsprechend wichtig sind sie für die Bewertung. Als nächstes nimmt der Profitester die Toilette unter die Lupe, prüft ob die Spülung funktioniert und ob Seife und Papierhandtücher zur Verfügung stehen.
Mit dem Zug reisen an diesem Vormittag nur wenige Fahrgäste, welches die Arbeit des Profitesters sehr erleichtert, da wir genügend freie Sicht auf Sitze, Scheiben und Boden haben. Auch im Innenraum achtet Werner auf Verschmutzungen und Beschädigungen und stellt einige Kratzer an der Wandverkleidung und Lackschäden an den Haltestangen fest. Wir suchen uns einen freien Sitzplatz und der Profitester beginnt, die festgestellten Mängel zu notieren. Dazu verwendet er ein Smartphone, das mit einer speziellen Datenerfassungs-App versehen ist. In dieses System tragen alle Profitester*innen ihre Testergebnisse ein, die dann automatisiert in eine beim VRR angesiedelte Datenbank zur Qualitätsanalyse übermittelt werden.
Auf dem Land geht’s beschaulich zu
Am ländlich gelegenen Bahnhof Lembeck angekommen, testet Werner den Fahrkartenautomaten und den Ticketentwerter, hält nach herumliegendem Müll und anderen Verunreinigungen Ausschau, überprüft den Wartebereich und die Glasvitrinen auf Schäden und begutachtet den Boden mit Blick auf Stolperfallen. Mein erster Eindruck wird von ihm bestätigt: Nichts ist defekt oder beschädigt und insgesamt ist der Bahnhof – bis auf ein wenig herumliegenden Müll – sehr sauber. Ein paar kleine Bodenunebenheiten fließen in die Bewertung mit ein, denn sie könnten zu Stolperfallen werden. „Die oberste Priorität ist, dass es an den Stationen keine Schäden oder Mängel gibt, die für Fahrgäste eine Gefahr darstellen oder schwere Verletzungen nach sich ziehen könnten. In diesem Fall informieren wir umgehend unseren Teamleiter beim VRR, der dann direkt zu DB Station&Service Kontakt aufnimmt, damit die Schäden behoben werden können“, erklärt mir Werner.„Ein so gravierender Schaden ist mir bei meiner Arbeit bis jetzt aber zum Glück noch nicht untergekommen“.
Vor allem die kleineren, ländlich gelegenen Bahnhöfe seien in der Regel recht gut in Schuss und vergleichsweise sauber. Durch das höhere Fahrgastaufkommen an Bahnhöfen in großen Städten, könne es dort auch schon mal etwas anders aussehen. Nachdem der Profitester noch wie gewohnt den Bahnhof auf einen barrierefreien Zugang und die Funktionalität der Fahrgastinformation geprüft hat, machen wir uns bereit für die Rückfahrt, denn die RB 45 nähert sich bereits unserer Station.
Ein Job, bei dem man viel herumkommt
Pünktlich um 11:37 Uhr setzt sich die NordWestBahn mit uns an Bord zurück Richtung Dorsten in Bewegung. Im Zug fällt ein Schild an der Toilettentür mit der Aufschrift „WC außer Betrieb“ direkt ins Auge – ärgerlich für Reisende, die vielleicht einen etwas längeren Weg vor sich haben. Zudem beanstandet der Profitester mehrere verschlissene Sitzbezüge und einige Kratzer in der Wandverkleidung. Werner erzählt mir währenddessen, wie die restliche Testtour verlaufen wird, wann wir an welcher Station ankommen, wann dort die Anschlusszüge weiterfahren und um welche Zeiten die Fahrzeuge aus der Gegenrichtung vorbeikommen. Ich bin beeindruckt, wie viele Abfahrtzeiten und Infos der 67-Jährige aus dem Effeff wiedergeben kann. Und ich merke erneut, dass er mit Spaß und Einsatz bei der Sache ist.
Mich interessiert, was ihm an seiner Arbeit für den VRR besonders gefällt. Er könnte ja schließlich als Rentner seinen Tag auch anders gestalten. „Ich bin einfach gerne unterwegs“, verrät er mir. „Und wenn ich dabei auch noch etwas Nützliches mache, umso besser. Toll ist, dass ich mir meine Arbeitszeit sehr flexibel einteilen kann und dabei gleichzeitig viel herumkomme. An vielen Bahnstationen hier im ländlichen Raum gibt es Aushänge mit Radwegen. Die schaue ich mir beim Warten auf den Zug genau an und suche mir neue Touren für meine Freizeit aus.“ Und tatsächlich kann mir der begeisterte Radler entlang unserer Zugstrecken mehrere Tipps für tolle Fahrradtouren in Dorsten und Umgebung geben. Da bekomme ich direkt selbst Lust, mal wieder in die Pedale zu treten. Und während ich noch gedanklich meine kommenden Familienausflüge ins Grüne plane, nähert sich der Zug unserer Haltestelle in Dorsten.
Größere Funktionsstörungen werden zeitnah behoben
Die weiteren Testfahrten verlaufen reibungslos und ohne besonders große Vorkommnisse. Nur am Bahnhof Deuten fallen zwei etwas größere Schäden ins Auge: eine zerbrochene und abgedeckte Vitrinenscheibe – wobei alle nötigen Kundeninformationen in einem zweiten Aushangkasten vorhanden sind – und ein defekter kontaktloser Kartenleser am Fahrscheinautomaten. Letzterer wird vom Profitester direkt an den VRR gemeldet, damit die Störung möglichst schnell behoben werden kann. Auch ein wenig herumliegender Müll und kleinere Bodenunebenheiten werden notiert, bevor uns unsere letzte Fahrt um 11:46 Uhr mit dem RE 14 vorbei an kleinen Gewässern, grünen Wiesen und Spargelfeldern zu unserem Zielbahnhof nach Gladbeck-Zweckel führt.
Beim Ausstieg fällt mir im Vergleich zu den Bahnhöfen in Lembeck und Deuten auf, wie veraltet die kleinstädtische Station ist und dass sie von deutlich mehr Fahrgästen frequentiert wird. Im Gleisbett liegt Müll, es gibt ein paar Verschmutzungen und Kratzer am Wartehäuschen, eine beschädigte Scheibe und mehrere Graffiti. Obwohl die festgestellten Mängel zu einer leichten Abwertung der Station führen, seien diese aber noch in einem normalen Rahmen, erzählt Werner und zeigt mir als Kontrast dazu Bilder stark vermüllter und verschmutzter Großstadtstationen. Der Unterschied ist tatsächlich enorm. Mir wird bewusst, wie wichtig die Arbeit der Profitester*innen ist. Denn nur durch die regelmäßigen Erhebungen hat der VRR die Möglichkeit, die Qualität des SPNV im Sinne der Fahrgäste auf einem hohen Niveau zu halten und Mängel aufzuzeigen. Die Aufzeichnungen der Profitester*innen fließen dabei nicht nur in das standardmäßige Vertragscontrolling mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen ein, sondern auch in die jährlichen Qualitäts- und Stationsberichte.
Am Bahnhof Gladbeck-Zweckel verabschiede ich mich von Werner. Die nächsten Linien und Bahnstationen warten schließlich auf die Bewertung von ihm und seinen Kolleg*innen.
Sternchentext
*Aus Rücksicht auf die Privatsphäre des Profitesters nennen wir an dieser Stelle nicht den vollständigen Namen. Nachdem wir uns vorgestellt haben, haben wir uns auf das „du“ geeinigt, weshalb ich mich im weiteren Textverlauf auf die Nennung des Vornamens beschränkt habe.